"Die Form des Landes
Die Landschaftsfotografie spielt eine große Rolle im Schaffen
von Mechthild Schneider. Es geht es ihr nicht darum, charakteristische
Bilder einer bestimmten Gegend zu entwickeln. Sie will nicht vermitteln
wie schön der Hunsrück ist, wo sie seit mehreren Jahren in
Oberlöstern ein altes Bauernhaus bewohnt. Vielmehr erkennen wir
Wiesen und Ackerflächen in die dunkle Linien mit Traktoren gezeichnet
wurden. Furchen, die streng parallel den Horizont begleiten, dann wieder
in leichten Schwüngen den sanften Mulden der Ackerfläche angepasst
sind, fallen mal von einer Erhebung herab, dann wieder steigen sie an.
Wolken gleichen einer Weißmalerei auf dem blauen Grund des Himmels.
Man erinnert sich an Alfred Stieglitz „Equivalents“, fotografische
Wolkenbilder, die Entsprechungen waren seiner inneren Bilder, Vorstellungen
geistiger Natur und damit jeglicher bildlicher Dienerschaft enthoben
einen Meilenstein darstellen auf dem Weg der Fotografie hin zur künstlerischen
Autonomie.
Mechthild Schneider sucht in den Landschaften nicht das Spektakuläre,
sondern sie protokolliert die stetigen Veränderungen ihrer ländlichen
Umgebung. Tatsächlich sieht Mechthild Schneider die Landschaft der
heute gezeigten Bilder wenn nicht jeden Tag, dann doch alle zwei Wochen,
wenn sie sich von ihrem Saarbrücker Leben zurückzieht und jede
zweite Woche in ihrem Haus in Oberlöstern verbringt. Von diesem
Haus aus sieht sie direkt auf die Hügel, die sie in der Ausstellung
aus unterschiedlichen Blickwinkeln vorstellt. All ihren Landschaftsbildern
ist eines gemeinsam: Sie befassen sich mit Gestaltung. In ihnen entdeckt
Mechthild Schneider Prinzipien des schöpferischen Bildens, wie etwa
die Linie oder die Farbe. Sie versteht diese Bilder, die direkt aus der
Natur genommen sind als Visualisierungen von Gestaltprozessen, die entweder
durch anonyme Menschenhand oder durch nicht gesteuerte natürliche
Vorgänge zustande gekommen sind, oder das Natürliche mit dem
vom Menschen Gestaltete zusammenführen.
Dieses Sehen, das diese prinzipiellen schöpferischen Vorgänge erkennt,
so minimal deren Spuren auch sein mögen, erinnert ansatzweise an die Fotografin
Monika von Boch, die in einem einzigartigen Buch mit dem Titel „Landsehen“ sich
der Landschaft in ähnlicher Weise, allerdings in Schwarz-Weiß genähert
hat. Insofern dürfen Mechthild Schneiders Landschaften auch als sensible
Hommagen an Monika von Boch verstanden werden, die dem Fotografiepreis den
Namen gab, den Mechthild Schneider im Jahr 2005 in Merzig entgegennahm."
Roland Augustin |